Von Hannover in die Welt: Versand von Hanomag-Radladern
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 11:48
Moin zusammen,
für unsere schon fast traditionelle Jahres-Endgeschichte haben wir uns diesmal ein etwas aufwändigeres Thema ausgesucht: Im Zuge der Verbesserungen an einem Wiking-Modell des Hanomag Radladers B11
http://www.eisenbahnmodellbauforum.de/v ... 08c#p36439
kam die verwegene Idee auf, eine ganze Produktionsserie dieses Fahrzeugs herzustellen, in einer entsprechend großen Auslieferungshalle auf einen langen Flachwagen-Zug zu verladen und als Einzelwaggons oder in Wagengruppen den Abnehmern zuzuführen.
Das Ganze soll im Zeitraum um 1964 spielen, wobei wir mit einigen Kompromissen leben mussten. Neben der Hanomag-Fabrikationsstätte in Hannover würde auch diesmal der Hafen Hamburg wieder eine zentrale Rolle spielen, denn viele Baumaschinen wurden weltweit exportiert. Darüber hinaus sollten aber auch andere Transportziele einbezogen werden, neben den Transversalen nach Skandinavien und Italien waren dies auch die Rampen an vielen Ladestraßen an mehr oder weniger großen Zielbahnhöfen in Nord-, West- und Süddeutschland, in deren Einzugsbereich die lokalen Baumaschinenhändler angesiedelt waren.
Hanomag – Höhen und Tiefen
Die wechselvolle, teils tragische Geschichte des Unternehmens Hanomag in wenigen Zeilen zu beschreiben, ist kaum möglich – ich versuche es in Form einer Liste bedeutender Meilensteine.
1835
Georg Egestorff gründet die Hannoversche Eisengießerei und Maschinenfabrik mit Sitz in Linden vor den Toren Hannovers. Produziert werden anfangs Bauteile des allgemeinen Maschinenbaus wie Wellen, Zahnräder und Gleitbuchsen. Bereits 1836 kommen kleine Dampfmaschinen hinzu, entwickelt mit Hilfe englischer Spezialisten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hanomag#/ ... Linden.jpg
1846
Man fokussiert sich als einer der wichtigsten Anbieter auf den Bau von Lokomotiven und Lokomobilen.
1868
Nach Georg Egestorffs Tod kauft Bethel Henry Strousberg das Unternehmen. Er hatte sich ein großes Eisenbahnimperium aufgebaut, mit über 3000 Streckenkilometern in Mittel- und Osteuropa. Dazu hatte er sich dazu eine Reihe von Unternehmen „zusammengekauft“, mit denen er von der Stahlherstellung über Oberbaumaterial und Fahrzeugbau alle wichtigen Gewerke für den Bau und Betrieb einer Bahngesellschaft darstellen konnte. Sein größter Auftrag war der Bau der rumänischen Staatsbahn mit 900 km Strecke, Lokomotiven, Wagen und anderem Zubehör. Hanomag lieferte allein 500 Lokomotiven für Strousberg-Bauvorhaben. In der 1869 eingeweihten großen Montagehalle konnten gleichzeitig 36 Dampfloks und 24 Tender zusammengebaut werden.
1871
Zusammenbruch des Strousberg-Imperiums. Ein Hannoversches Bankenkonsortium übernimmt die Werke in Hannover, die jetzt als Hannoversche Maschinenbau-Actien-Gesellschaft firmieren.
1873
Produktion der 1000sten Lokomotive, die KPEV kaufte von 1881 bis 1924 allein fast 5000 Dampfloks in Linden bei Hannover.
1894-1904
Erweiterung und Erneuerung der Gebäude und Fertigungseinrichtungen, u. a. Bau des neuen, bis heute genutzten Verwaltungsgebäudes.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File ... uselang=de
1905
Einführung der Namens-Kurzform HANOMAG, Auslöser dafür waren angeblich die hohen Kosten für die nach Wortzahl abgerechneten Telegramme, vor allem im internationalen Geschäft. Die Exportquote konnte bis 1914 von rund 20 auf bis zu 50 Prozent gesteigert werden.
1912
Einstieg in die Landtechnik mit der Produktion motorbetriebener Großpflüge, 1919 ergänzt durch Kettenschlepper und Mitte der 1920er Jahre durch Radschlepper.
1920er Jahre
Beginn der Baumaschinenproduktion mit Planierraupen und Straßenwalzen.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... Linden.jpg
1922
Auslieferung der 10.000sten Lokomotive, eines Sechskupplers für die Ungarische Staatsbahn. Dazu fanden wir kein rechtefreies Bild, daher das Ersatzfoto mit einem anderen F-Kuppler:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... Lok_00.jpg
1924
Hanomag steigt mit einem 10PS-Kleinwagen (wegen seiner Form „Kommissbrot“ genannt) mit erstaunlichem Erfolg ins Personenwagen-Geschäft ein.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... ermann.jpg
1931
Als Folge der Weltwirtschaftskrise wird Hanomag zahlungsunfähig und 1932 vom Bochumer Verein übernommen. Der Lokomotivbau wird aufgegeben, man konzentriert sich auf den Automobil- und Schlepperbau sowie auf Produkte der Rüstungsproduktion.
1945
Wiederaufnahme der zivilen Schlepper- und Zugmaschinenproduktion.
1950
Produktionsstart des erfolgreichen Leicht-LKWs L28
1952
Hanomag schließt sich der Rheinstahl-Union an, seit 1961 firmiert man als Rheinstahl-Hanomag AG, die Produkte tragen den Rheinstahl-Bogen.
1960
Radlader ergänzen das Baumaschinenprogramm und tragen maßgeblich zur Ablösung der Laderaupen bei.
1961
Übernahme des ehemaligen Borgward-Werks in Bremen-Sebaldsrück.
1964
Rheinstahl übernimmt die Henschel-Werke in Kassel und 1965 das Tempo-Werk in Hamburg-Harburg. Damit konnte man vom Transporter bis zum schweren LKW ein vollständiges Nutzfahrzeug-Programm anbieten.
1970
Rheinstahl trennt sich in der Rezession vom Nutzfahrzeuggeschäft, man verkauft an Daimler-Benz.
1970
Aufgabe des defizitären Geschäftsbereichs Landtechnik
1974
Rheinstahl verkauft Hanomag an Massey-Ferguson
1980
Horst-Dieter Esch kauft Hanomag und gliedert sie in seine IBH (Internationale Baumaschinen-Holding) ein. Sein Ziel: größter Baumaschinen-Hersteller.
1983
IBH geht in betrügerischen Konkurs, für Hanomag wird eine Auffanggesellschaft gegründet.
1989
Übernahme durch den Komatsu-Konzern, seit 2016 Firmierung als Komatsu Deutschland statt Komatsu-Hanomag.
Eine schöne Zusammenstellung des Hanomag-Fabrikationsprogramms findet sich auf der Seite des Hanomag-Museums:
http://www.hanomag-museum.de/html/hanom ... ktion.html
Fazit:
Fasst man die faszinierende Hanomag-Geschichte zusammen, so steht den meist innovativen und hochwertigen Produkten eine immer wieder zu knappe Kapitaldecke gegenüber, die wechselnden Eigentümer haben nicht immer nachhaltig investiert.
Die von Phoenix gesendete Dokumentation mit vielen historischen Aufnahmen ist ausgesprochen sehenswert und vermittelt weitere Hintergründe zu diesem Wirtschaftskrimi:
1964: Hanomag schickt eine 20er Serie Radlader B11 von Hannover in die Welt
Mitte der 1960er Jahre erlebte Hanomag eine letzte besondere Blütezeit, mit 11.000 Mitarbeitern war der höchste Stand in Friedenszeiten erreicht. Das Produktprogramm wurde mit neuen Generationen schwerer LKW und Schlepper aktualisiert, Raupen der Typen K8 und K16 sowie der nochmals größere Radlader B16 erweitern die Baumaschinen-Palette.
Sowohl die Baumaschinen- wie auch die Nutzfahrzeugproduktion waren gut ausgelastet. Die modern gestalteten und mit ihrer hydraulischen Antriebstechnik sehr leistungsfähigen, schnellen und robusten Radlader der Baureihen B8 und B11 spielten dabei eine durchaus wichtige Rolle. Sie haben sich am Markt rasch durchgesetzt, häufig auch gegen die Laderaupen aus gleichem Haus.
Wegen der hoher Nachfrage werden einige B11-Serien in Hannover gebaut, obwohl die reguläre Fertigung ins ehemalige Borgward-Werk nach Bremen verlagert wurde. Eine solche 20er Serie mit internationalen Endkunden ist für den kommenden Monat geplant – Grund genug für den Versandleiter Hubert Blanke, Kontakt zur Güterabfertigung im benachbarten Bahnhof Hannover-Linden aufzunehmen.
Wie ging das eigentlich, damals bei der Bundesbahn, wie arbeiteten die verschiedenen Dienststellen zusammen, wie waren die Zuständigkeiten in Transportfragen bei großen Herstellern, wie z.B. der Hannoverschen Maschinenbau AG - Hanomag, in Hannover-Linden, wie griffen die Rädchen ineinander? Ein kurzer Blick hinter die Kulissen...
Die Ausgangslage ist skizziert, die Produktion dieser modernen Radlader lief auf Hochtouren, die Auftragsbücher waren voll. An einem Frühsommertag 1964 sollten 20 Maschinen ihren Weg zu den Empfängern antreten.
Im Rahmen dieser Geschichte werden wir den Überführungsverlauf der Hanomags verfolgen und dokumentieren. Die groben Ziele und Richtungen lassen sich anhand dieser Skizze (Auszug aus dem Güterkursbuch) nachvollziehen:
Fünf unterschiedliche Richtungen, ein Großteil der Radlader war für den Export bestimmt, so mussten Schiffsanschlüsse erreicht, das Ganze musste unbedingt pünktlich und zuverlässig abgewickelt werden. Da stand auch das internationale Renommee der Firma Hanomag auf dem Spiel, es durfte nichts dem Zufall überlassen werden.
Daraus lässt sich eine gewisse Komplexität der Aufgabenstellung und der daraus abzuleitende Organisationaufwand zumindest schon mal erahnen. Werfen wir einen Blick auf die beteiligten Protagonisten: Zum einen wäre da der Versandleiter im Hanomagwerk, Hubert Blanke. Dieser hatte in erster Linie die Aufgabe, für die bei seiner Firma anfallenden Transporte die kostengünstigste Transportmöglichkeit zu ermitteln. Bei diesen Baumaschinen, keine übergroße Überraschung, war die Bundesbahn erste Adresse. Da die Hanomag Transporte regelmäßig mit der DB durchgeführt wurden, hatte Herr Blanke selbstverständlich enge Kontakte zu "seiner" Güterabfertigung und "seinem" Bahnhof (Hannover-Linden).
Die Kunden/Empfänger der Baumaschinen, nicht zuletzt sein Abteilungsleiter saßen ihm gehöhig im Nacken, diese Transporte hatten Dringlichkeit, schon weil diverse Schiffsanschlüsse zu erreichen waren. Ein Ganzzug auf den Weg bringen war eher Tagesgeschäft, aber kleine Wagengruppen mit großer Priorität in verschiedene Richtungen - das war ein klarer Fall für Redebedarf und somit einen persönlichen Kontakt zu seine Ansprechpartnern von der DB.
Also wurde ein paar Tage vor dem Transport ein Ortstermin im Werk verabredet, es gab einiges zu besprechen. Es ging um die Auswahl der Züge, mögliche betriebliche Widrigkeiten, die eine pünktliche Zugbildung in Frage stellen könnten, Wagennummern, Frachtpapiere, Wagenzettel und so weiter. Also wurde der Beamte von der Güterabfertigung (Hauptsekretär Johann Röber) sowie die Betriebsaufsicht (Bundesbahninspektor Kurt Brackmöller, Mitarbeiter des Bahnhofsbüros) vom Bahnhof Hannover-Linden kurzer Hand zu einer Besprechung ins Werk gebeten.
Solche Termine nahmen unsere Eisenbahner gerne wahr, die Hanomag Kantine war im Vergleich zur eigenen Bahnhofskantine - "Emmi von der Bahn", um Längen besser und man kam einfach auch mal raus...
Am verabredeten Tag machten sich unsere beiden Eisenbahner also auf den Weg ins Hanomagwerk, welches in unmittelbare Nachbarschaft zum Güterbahnhof Hannover-Linden angesiedelt war. Bundesbahn Inspektor Brackmüller fasste die Gelegenheit beim Schopf, "...von wegen und zu Fuß, nichts davon..." seinen schon etwas abgehangenen VW Brezelkäfer mal kurz während der Arbeitszeit spazieren zu fahren. Er holte seinen Kollegen drüben an der Güterabfertigung ab. Gemeinsam fuhren sie schließlich ins Werksgelänge und parkten ihr Gefährt vor dem Betriebsbüro, inmitten einiger für Versuche genutzter Raupen und Schlepper.
Selbstverständlich hatten sie sich vorher auf ihren Dienststellen mit den entsprechenden Unterlagen, Wagenzettel und -listen, Frachtbriefe, Bahnhofsfahrordnung, Gleisbelegungs- und Rangierarbeitspläne etc. ausgestattet.
Man setzte sich im Versandleiter-Büro zusammen und fasste erst einmal die Aufgabenstellung zusammen:
Es ging in der Summe um 20 zweiachsige Flachwagen, gut ausreichend für die Aufnahme je eines B11 mit einem Gewicht von rund 10 Tonnen.
Vier beladene Flachwagen sind für den Hamburger Hafen bestimmt, dort muss ein Schiffsanschluss erreicht werden, die Fahrzeuge gehen nach Südamerika.
Vier weitere gehen in Richtung Lübeck - Vogelfluglinie - Skandinavien (einer verbleibt in Lübeck).
Ein Wagen ist für "Richtung Westen", den Bahnhof Silschede bestimmt.
Zwei Wagen gehen in Richtung Mannheim.
Die übrigen neun B11er laufen an Bord ihrer Flachwagen zunächst in Richtung München Ost. Von dort aus gehen zwei weiter nach Taufkirchen/Vils und Velden, sowie ein weiterer nach Murnau.
Die verbliebenen sechs sind Exportfahrzeuge und werden von München Ost ihren Weg nach Italien antreten.
Nun war zuerst unser Betriebsmann am Zug, Bundesbahninspektor Brockmöller musste die für die entsprechenden Richtungen passenden Züge auswählen.
Zuvor allerdings ein kurzer Blick auf den Güterbahnhof Hannover-Linden:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... nnover.jpg
Dieser war kein "einfacher" Güterbahnhof, sondern es handelte sich um einen sogenannten "Eilgutbahnhof". Dort wurden in erster Linie Züge mit leicht verderblichen Gütern, wie Obst und Gemüse, Fisch oder lebende Tiere abgefertigt. Die Züge kamen mit ihren spezifischen Wagenladungen aus allen möglichen Richtungen und wurden, falls Wagen abgesetzt oder zugestellt werden mussten, mit höchster Dringlichkeit behandelt und wenig später ging es weiter, ihren Zielorten entgegen.
Baumaschinen wären grundsätzlich nicht in die Kategorie "Eilgut" gefallen. Da hat der Empfänger schon monatelang auf die Fertigung seines Radladers gewartet, da kam es dann auf die wenigen Stunden Zeitersparnis mit dem entsprechend höheren Eilguttarif auch nicht mehr an, da konnte es auch normales Frachtgut sein...
Nachdem Brockmöller seine Unterlagen (grafische Bahnhofsfahrordnung und Rangierarbeitsplan) in Augenschein genommen hatte, wurden folgende Abgangszüge für die verschiedenen Wagengruppen festgelegt:
Richtung Hamburger Hafen mit Schiffsanschluss -> klarer Fall für einen Eilgüterzug,
Sg 5591 (München Süd) - Hannover-Linden - Hamburg Wilhelmsburg
Richtung Lübeck - Vogelfluglinie - Skandinavien -> Trajektverkehr/Schiffsanschluss => Eilgut,
TEEM 5529 (Bologna) - Hannover-Linden - Lübeck - (Stockholm/Oslo)
Richtung München Ost, da bot sich ein "normaler" Frachtenzug mit Bedarfshalt in Hannover-Linden an
Dg 5596 (Hamburg Rothenburgsort) - Hannover-Linden - München Ost
Für den Wagen Richtung Westen, sowie die beiden für Mannheim bestimmten gab es im Eilgutbahnhof Hannover-Linden keine geeigneten Ausgänge. Diese Wagenladungen mussten über den benachbarten Rangierbahnhof Seelze auf den Weg zu ihren Zielorten gebracht werden.
Vorgesehen für diese drei Wagen war der Nahgüterzug nach Seelze:
Ng 9319 (Han-Wülfel) - Hannover-Linden - Seelze Rbf
Nun wurde noch festgelegt, in welcher Reihenfolge die Flachwagen gemäß ihrer Abgangsgruppen in der Versandhalle zu beladen waren, um den späteren Rangieraufwand im Güterbahnhof möglichst klein zu halten.
Hauptsekretär Röber von der Ga (Güterabfertigung) hat danach die die Wagennummern in die Wagenlisten eingetragen, die Wagenzettel gefertigt und schon mal in den Zettelhalter geklemmt. Nun mussten noch die Frachtbriefe gefertigt werden und damit hatte Röber alle Unterlagen für seine Zugabfertiger zusammen.
Jetzt endlich war es Zeit für ein Mittagessen in der Werkskantine, dazu ein leckeres Gilde vom Fass, das hatten sich die drei nun ehrlich erarbeitet…
Nun, dann kann die Produktion anlaufen - in der nächsten Folge zeigen wir Szenen der B11-Verladung in der großen Finish-Halle 4.
Bis dahin - viele Grüße
Michael und Manfred, zuständig für die erste Folge
für unsere schon fast traditionelle Jahres-Endgeschichte haben wir uns diesmal ein etwas aufwändigeres Thema ausgesucht: Im Zuge der Verbesserungen an einem Wiking-Modell des Hanomag Radladers B11
http://www.eisenbahnmodellbauforum.de/v ... 08c#p36439
kam die verwegene Idee auf, eine ganze Produktionsserie dieses Fahrzeugs herzustellen, in einer entsprechend großen Auslieferungshalle auf einen langen Flachwagen-Zug zu verladen und als Einzelwaggons oder in Wagengruppen den Abnehmern zuzuführen.
Das Ganze soll im Zeitraum um 1964 spielen, wobei wir mit einigen Kompromissen leben mussten. Neben der Hanomag-Fabrikationsstätte in Hannover würde auch diesmal der Hafen Hamburg wieder eine zentrale Rolle spielen, denn viele Baumaschinen wurden weltweit exportiert. Darüber hinaus sollten aber auch andere Transportziele einbezogen werden, neben den Transversalen nach Skandinavien und Italien waren dies auch die Rampen an vielen Ladestraßen an mehr oder weniger großen Zielbahnhöfen in Nord-, West- und Süddeutschland, in deren Einzugsbereich die lokalen Baumaschinenhändler angesiedelt waren.
Hanomag – Höhen und Tiefen
Die wechselvolle, teils tragische Geschichte des Unternehmens Hanomag in wenigen Zeilen zu beschreiben, ist kaum möglich – ich versuche es in Form einer Liste bedeutender Meilensteine.
1835
Georg Egestorff gründet die Hannoversche Eisengießerei und Maschinenfabrik mit Sitz in Linden vor den Toren Hannovers. Produziert werden anfangs Bauteile des allgemeinen Maschinenbaus wie Wellen, Zahnräder und Gleitbuchsen. Bereits 1836 kommen kleine Dampfmaschinen hinzu, entwickelt mit Hilfe englischer Spezialisten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hanomag#/ ... Linden.jpg
1846
Man fokussiert sich als einer der wichtigsten Anbieter auf den Bau von Lokomotiven und Lokomobilen.
1868
Nach Georg Egestorffs Tod kauft Bethel Henry Strousberg das Unternehmen. Er hatte sich ein großes Eisenbahnimperium aufgebaut, mit über 3000 Streckenkilometern in Mittel- und Osteuropa. Dazu hatte er sich dazu eine Reihe von Unternehmen „zusammengekauft“, mit denen er von der Stahlherstellung über Oberbaumaterial und Fahrzeugbau alle wichtigen Gewerke für den Bau und Betrieb einer Bahngesellschaft darstellen konnte. Sein größter Auftrag war der Bau der rumänischen Staatsbahn mit 900 km Strecke, Lokomotiven, Wagen und anderem Zubehör. Hanomag lieferte allein 500 Lokomotiven für Strousberg-Bauvorhaben. In der 1869 eingeweihten großen Montagehalle konnten gleichzeitig 36 Dampfloks und 24 Tender zusammengebaut werden.
1871
Zusammenbruch des Strousberg-Imperiums. Ein Hannoversches Bankenkonsortium übernimmt die Werke in Hannover, die jetzt als Hannoversche Maschinenbau-Actien-Gesellschaft firmieren.
1873
Produktion der 1000sten Lokomotive, die KPEV kaufte von 1881 bis 1924 allein fast 5000 Dampfloks in Linden bei Hannover.
1894-1904
Erweiterung und Erneuerung der Gebäude und Fertigungseinrichtungen, u. a. Bau des neuen, bis heute genutzten Verwaltungsgebäudes.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File ... uselang=de
1905
Einführung der Namens-Kurzform HANOMAG, Auslöser dafür waren angeblich die hohen Kosten für die nach Wortzahl abgerechneten Telegramme, vor allem im internationalen Geschäft. Die Exportquote konnte bis 1914 von rund 20 auf bis zu 50 Prozent gesteigert werden.
1912
Einstieg in die Landtechnik mit der Produktion motorbetriebener Großpflüge, 1919 ergänzt durch Kettenschlepper und Mitte der 1920er Jahre durch Radschlepper.
1920er Jahre
Beginn der Baumaschinenproduktion mit Planierraupen und Straßenwalzen.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... Linden.jpg
1922
Auslieferung der 10.000sten Lokomotive, eines Sechskupplers für die Ungarische Staatsbahn. Dazu fanden wir kein rechtefreies Bild, daher das Ersatzfoto mit einem anderen F-Kuppler:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... Lok_00.jpg
1924
Hanomag steigt mit einem 10PS-Kleinwagen (wegen seiner Form „Kommissbrot“ genannt) mit erstaunlichem Erfolg ins Personenwagen-Geschäft ein.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... ermann.jpg
1931
Als Folge der Weltwirtschaftskrise wird Hanomag zahlungsunfähig und 1932 vom Bochumer Verein übernommen. Der Lokomotivbau wird aufgegeben, man konzentriert sich auf den Automobil- und Schlepperbau sowie auf Produkte der Rüstungsproduktion.
1945
Wiederaufnahme der zivilen Schlepper- und Zugmaschinenproduktion.
1950
Produktionsstart des erfolgreichen Leicht-LKWs L28
1952
Hanomag schließt sich der Rheinstahl-Union an, seit 1961 firmiert man als Rheinstahl-Hanomag AG, die Produkte tragen den Rheinstahl-Bogen.
1960
Radlader ergänzen das Baumaschinenprogramm und tragen maßgeblich zur Ablösung der Laderaupen bei.
1961
Übernahme des ehemaligen Borgward-Werks in Bremen-Sebaldsrück.
1964
Rheinstahl übernimmt die Henschel-Werke in Kassel und 1965 das Tempo-Werk in Hamburg-Harburg. Damit konnte man vom Transporter bis zum schweren LKW ein vollständiges Nutzfahrzeug-Programm anbieten.
1970
Rheinstahl trennt sich in der Rezession vom Nutzfahrzeuggeschäft, man verkauft an Daimler-Benz.
1970
Aufgabe des defizitären Geschäftsbereichs Landtechnik
1974
Rheinstahl verkauft Hanomag an Massey-Ferguson
1980
Horst-Dieter Esch kauft Hanomag und gliedert sie in seine IBH (Internationale Baumaschinen-Holding) ein. Sein Ziel: größter Baumaschinen-Hersteller.
1983
IBH geht in betrügerischen Konkurs, für Hanomag wird eine Auffanggesellschaft gegründet.
1989
Übernahme durch den Komatsu-Konzern, seit 2016 Firmierung als Komatsu Deutschland statt Komatsu-Hanomag.
Eine schöne Zusammenstellung des Hanomag-Fabrikationsprogramms findet sich auf der Seite des Hanomag-Museums:
http://www.hanomag-museum.de/html/hanom ... ktion.html
Fazit:
Fasst man die faszinierende Hanomag-Geschichte zusammen, so steht den meist innovativen und hochwertigen Produkten eine immer wieder zu knappe Kapitaldecke gegenüber, die wechselnden Eigentümer haben nicht immer nachhaltig investiert.
Die von Phoenix gesendete Dokumentation mit vielen historischen Aufnahmen ist ausgesprochen sehenswert und vermittelt weitere Hintergründe zu diesem Wirtschaftskrimi:
1964: Hanomag schickt eine 20er Serie Radlader B11 von Hannover in die Welt
Mitte der 1960er Jahre erlebte Hanomag eine letzte besondere Blütezeit, mit 11.000 Mitarbeitern war der höchste Stand in Friedenszeiten erreicht. Das Produktprogramm wurde mit neuen Generationen schwerer LKW und Schlepper aktualisiert, Raupen der Typen K8 und K16 sowie der nochmals größere Radlader B16 erweitern die Baumaschinen-Palette.
Sowohl die Baumaschinen- wie auch die Nutzfahrzeugproduktion waren gut ausgelastet. Die modern gestalteten und mit ihrer hydraulischen Antriebstechnik sehr leistungsfähigen, schnellen und robusten Radlader der Baureihen B8 und B11 spielten dabei eine durchaus wichtige Rolle. Sie haben sich am Markt rasch durchgesetzt, häufig auch gegen die Laderaupen aus gleichem Haus.
Wegen der hoher Nachfrage werden einige B11-Serien in Hannover gebaut, obwohl die reguläre Fertigung ins ehemalige Borgward-Werk nach Bremen verlagert wurde. Eine solche 20er Serie mit internationalen Endkunden ist für den kommenden Monat geplant – Grund genug für den Versandleiter Hubert Blanke, Kontakt zur Güterabfertigung im benachbarten Bahnhof Hannover-Linden aufzunehmen.
Wie ging das eigentlich, damals bei der Bundesbahn, wie arbeiteten die verschiedenen Dienststellen zusammen, wie waren die Zuständigkeiten in Transportfragen bei großen Herstellern, wie z.B. der Hannoverschen Maschinenbau AG - Hanomag, in Hannover-Linden, wie griffen die Rädchen ineinander? Ein kurzer Blick hinter die Kulissen...
Die Ausgangslage ist skizziert, die Produktion dieser modernen Radlader lief auf Hochtouren, die Auftragsbücher waren voll. An einem Frühsommertag 1964 sollten 20 Maschinen ihren Weg zu den Empfängern antreten.
Im Rahmen dieser Geschichte werden wir den Überführungsverlauf der Hanomags verfolgen und dokumentieren. Die groben Ziele und Richtungen lassen sich anhand dieser Skizze (Auszug aus dem Güterkursbuch) nachvollziehen:
Fünf unterschiedliche Richtungen, ein Großteil der Radlader war für den Export bestimmt, so mussten Schiffsanschlüsse erreicht, das Ganze musste unbedingt pünktlich und zuverlässig abgewickelt werden. Da stand auch das internationale Renommee der Firma Hanomag auf dem Spiel, es durfte nichts dem Zufall überlassen werden.
Daraus lässt sich eine gewisse Komplexität der Aufgabenstellung und der daraus abzuleitende Organisationaufwand zumindest schon mal erahnen. Werfen wir einen Blick auf die beteiligten Protagonisten: Zum einen wäre da der Versandleiter im Hanomagwerk, Hubert Blanke. Dieser hatte in erster Linie die Aufgabe, für die bei seiner Firma anfallenden Transporte die kostengünstigste Transportmöglichkeit zu ermitteln. Bei diesen Baumaschinen, keine übergroße Überraschung, war die Bundesbahn erste Adresse. Da die Hanomag Transporte regelmäßig mit der DB durchgeführt wurden, hatte Herr Blanke selbstverständlich enge Kontakte zu "seiner" Güterabfertigung und "seinem" Bahnhof (Hannover-Linden).
Die Kunden/Empfänger der Baumaschinen, nicht zuletzt sein Abteilungsleiter saßen ihm gehöhig im Nacken, diese Transporte hatten Dringlichkeit, schon weil diverse Schiffsanschlüsse zu erreichen waren. Ein Ganzzug auf den Weg bringen war eher Tagesgeschäft, aber kleine Wagengruppen mit großer Priorität in verschiedene Richtungen - das war ein klarer Fall für Redebedarf und somit einen persönlichen Kontakt zu seine Ansprechpartnern von der DB.
Also wurde ein paar Tage vor dem Transport ein Ortstermin im Werk verabredet, es gab einiges zu besprechen. Es ging um die Auswahl der Züge, mögliche betriebliche Widrigkeiten, die eine pünktliche Zugbildung in Frage stellen könnten, Wagennummern, Frachtpapiere, Wagenzettel und so weiter. Also wurde der Beamte von der Güterabfertigung (Hauptsekretär Johann Röber) sowie die Betriebsaufsicht (Bundesbahninspektor Kurt Brackmöller, Mitarbeiter des Bahnhofsbüros) vom Bahnhof Hannover-Linden kurzer Hand zu einer Besprechung ins Werk gebeten.
Solche Termine nahmen unsere Eisenbahner gerne wahr, die Hanomag Kantine war im Vergleich zur eigenen Bahnhofskantine - "Emmi von der Bahn", um Längen besser und man kam einfach auch mal raus...
Am verabredeten Tag machten sich unsere beiden Eisenbahner also auf den Weg ins Hanomagwerk, welches in unmittelbare Nachbarschaft zum Güterbahnhof Hannover-Linden angesiedelt war. Bundesbahn Inspektor Brackmüller fasste die Gelegenheit beim Schopf, "...von wegen und zu Fuß, nichts davon..." seinen schon etwas abgehangenen VW Brezelkäfer mal kurz während der Arbeitszeit spazieren zu fahren. Er holte seinen Kollegen drüben an der Güterabfertigung ab. Gemeinsam fuhren sie schließlich ins Werksgelänge und parkten ihr Gefährt vor dem Betriebsbüro, inmitten einiger für Versuche genutzter Raupen und Schlepper.
Selbstverständlich hatten sie sich vorher auf ihren Dienststellen mit den entsprechenden Unterlagen, Wagenzettel und -listen, Frachtbriefe, Bahnhofsfahrordnung, Gleisbelegungs- und Rangierarbeitspläne etc. ausgestattet.
Man setzte sich im Versandleiter-Büro zusammen und fasste erst einmal die Aufgabenstellung zusammen:
Es ging in der Summe um 20 zweiachsige Flachwagen, gut ausreichend für die Aufnahme je eines B11 mit einem Gewicht von rund 10 Tonnen.
Vier beladene Flachwagen sind für den Hamburger Hafen bestimmt, dort muss ein Schiffsanschluss erreicht werden, die Fahrzeuge gehen nach Südamerika.
Vier weitere gehen in Richtung Lübeck - Vogelfluglinie - Skandinavien (einer verbleibt in Lübeck).
Ein Wagen ist für "Richtung Westen", den Bahnhof Silschede bestimmt.
Zwei Wagen gehen in Richtung Mannheim.
Die übrigen neun B11er laufen an Bord ihrer Flachwagen zunächst in Richtung München Ost. Von dort aus gehen zwei weiter nach Taufkirchen/Vils und Velden, sowie ein weiterer nach Murnau.
Die verbliebenen sechs sind Exportfahrzeuge und werden von München Ost ihren Weg nach Italien antreten.
Nun war zuerst unser Betriebsmann am Zug, Bundesbahninspektor Brockmöller musste die für die entsprechenden Richtungen passenden Züge auswählen.
Zuvor allerdings ein kurzer Blick auf den Güterbahnhof Hannover-Linden:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... nnover.jpg
Dieser war kein "einfacher" Güterbahnhof, sondern es handelte sich um einen sogenannten "Eilgutbahnhof". Dort wurden in erster Linie Züge mit leicht verderblichen Gütern, wie Obst und Gemüse, Fisch oder lebende Tiere abgefertigt. Die Züge kamen mit ihren spezifischen Wagenladungen aus allen möglichen Richtungen und wurden, falls Wagen abgesetzt oder zugestellt werden mussten, mit höchster Dringlichkeit behandelt und wenig später ging es weiter, ihren Zielorten entgegen.
Baumaschinen wären grundsätzlich nicht in die Kategorie "Eilgut" gefallen. Da hat der Empfänger schon monatelang auf die Fertigung seines Radladers gewartet, da kam es dann auf die wenigen Stunden Zeitersparnis mit dem entsprechend höheren Eilguttarif auch nicht mehr an, da konnte es auch normales Frachtgut sein...
Nachdem Brockmöller seine Unterlagen (grafische Bahnhofsfahrordnung und Rangierarbeitsplan) in Augenschein genommen hatte, wurden folgende Abgangszüge für die verschiedenen Wagengruppen festgelegt:
Richtung Hamburger Hafen mit Schiffsanschluss -> klarer Fall für einen Eilgüterzug,
Sg 5591 (München Süd) - Hannover-Linden - Hamburg Wilhelmsburg
Richtung Lübeck - Vogelfluglinie - Skandinavien -> Trajektverkehr/Schiffsanschluss => Eilgut,
TEEM 5529 (Bologna) - Hannover-Linden - Lübeck - (Stockholm/Oslo)
Richtung München Ost, da bot sich ein "normaler" Frachtenzug mit Bedarfshalt in Hannover-Linden an
Dg 5596 (Hamburg Rothenburgsort) - Hannover-Linden - München Ost
Für den Wagen Richtung Westen, sowie die beiden für Mannheim bestimmten gab es im Eilgutbahnhof Hannover-Linden keine geeigneten Ausgänge. Diese Wagenladungen mussten über den benachbarten Rangierbahnhof Seelze auf den Weg zu ihren Zielorten gebracht werden.
Vorgesehen für diese drei Wagen war der Nahgüterzug nach Seelze:
Ng 9319 (Han-Wülfel) - Hannover-Linden - Seelze Rbf
Nun wurde noch festgelegt, in welcher Reihenfolge die Flachwagen gemäß ihrer Abgangsgruppen in der Versandhalle zu beladen waren, um den späteren Rangieraufwand im Güterbahnhof möglichst klein zu halten.
Hauptsekretär Röber von der Ga (Güterabfertigung) hat danach die die Wagennummern in die Wagenlisten eingetragen, die Wagenzettel gefertigt und schon mal in den Zettelhalter geklemmt. Nun mussten noch die Frachtbriefe gefertigt werden und damit hatte Röber alle Unterlagen für seine Zugabfertiger zusammen.
Jetzt endlich war es Zeit für ein Mittagessen in der Werkskantine, dazu ein leckeres Gilde vom Fass, das hatten sich die drei nun ehrlich erarbeitet…
Nun, dann kann die Produktion anlaufen - in der nächsten Folge zeigen wir Szenen der B11-Verladung in der großen Finish-Halle 4.
Bis dahin - viele Grüße
Michael und Manfred, zuständig für die erste Folge