Die Dampfkessel-Reise nach Hamburg in drei Aufzügen - Teil 1
Verfasst: Mo 27. Dez 2021, 10:48
Moin zusammen,
wie das Leben so spielt: Auf der Hamburger Schiffswerft Heinrich Buschmann lag seit ein paar Tagen der Dampfschlepper Paul J. zur Kesselrevision. Zur allgemeinen Überraschung waren die Schäden deutlich größer als angenommen, eine Reparatur weder wirtschaftlich noch sinnvoll.
„Schiet ook“, befand der Eigner im Gespräch mit dem Werftchef und den Kesselschmieden, „ik bruk dat Ding bis in dree Weeken torügg, anners bün ik pleet“ – er hatte schlicht und ergreifend weder Geld noch Zeit für eine „normale“ Beschaffung eines neuen Kessels.
Heinrich Buschmann versprach ihm, mal ein wenig herumzutelefonieren, um eine akzeptable Lösung zu finden.
Das war bei ihm als überaus seriösem Hamburger Unternehmer selbstverständlich, erst recht bei solchen Kunden, mit denen er jahrzehntelang zusammenarbeitete, in guten wie in schlechten Zeiten.
Ortswechsel: Zur gleichen Zeit, gute 350 km weiter südlich.
In der Kesselfabrik Siller & Jamart in Wuppertal-Hatzfeld sollte das verdiente Wochenende ganz entspannt mit einem kleinen Umtrunk zur Ehre der Jubilare des letzten Quartals eingeleitet werden, die örtliche Wicküler-Brauerei hatte gerade den dazu benötigten Gerstensaft angeliefert, der Chef steht noch für ein kleines Schwätzchen mit dem Fahrer zusammen.
Im Vorzimmer des Juniorchefs wurde gerade der letzte Brief diktiert.
Noch’n bisschen lockeres Geschäkere mit der Sekretärin, dann konnte das Wochenende kommen.
Doch natürlich – Murphy lässt grüßen – ertönt genau jetzt der energische Klingelton des W48-Telefons.
Heinrich Buschmann aus Hamburg war dran, schilderte sein Anliegen und wurde gleich zum Seniorchef durchgestellt.
Der witterte spontan ein gutes Geschäft und besprach sich erstmal auf dem Hof kurz mit seinen leitenden Mitarbeitern:
„Im Anheizschuppen steht doch der fertige Kessel, den wir eigentlich nach Brasilien versenden müssten.“, sagt der Senior, „Aber nachdem unser Kunde ja ganz offensichtlich zahlungsunfähig ist, könnten wir das Ding doch flott nach Hamburg liefern! Damit wäre der Monatsumsatz gerettet!“
Und in der Tat: Die Idee war brillant, für beide Parteien eine wunderbare Lösung. Der Brasilien-Kessel stand auf absehbare Zeit nur herum und nahm Platz weg.
Nach kurzer Verhandlung wurde man einig, die Kaufbestätigung aus Hamburg kam flott per Telex:
So weit, so gut.
Aber wie sollte man den Kessel per Bahn auf die Reise bringen? Der Gleisanschluss von Siller&Jamart lag an der elektrifizierten Kleinbahn der Wuppertaler Stadtwerke. Und die WSW hatten Ihre Ellok 609 zur Bedarfsausbesserung zur Lokfabrik nach Hattingen gebracht. Die Bundesbahn konnte wegen des hohen Rangierbedarfs keine V60 ausleihen und auf die Schnelle nicht mal einen Rungenwagen stellen.
Retter in der Not war der immer hilfsbereite Betriebsleiter der Kleinbahn Bossel-Blankenstein. Er besorgte auf dem kleinen Dienstweg einen Rungenwagen und organisierte obendrein eine kleine Ausfahrt der BBE-Diesellok D3 über fremde Gleise. So wurde der Kessel samt den in Holzkisten verladenen Anbauteilen mit der kleinen Deutz abgeholt und die wenigen Kilometer nach Bossel überführt:
Mit der planmäßigen Übergabe Üb 15794 wird der Kessel dann von Bossel nach Schee gefahren:
Der bekannte Eisenbahnfotograf Carl B. aus W. war natürlich bestens informiert und hat die Szene - extra für Heino, versteht sich! - nochmal in Schwarzweiß dokumentiert:
Eine Buchfahrplanseite gibt es dazu im Heft 7 der Bundesbahndirektion Wuppertal:
Trotz der bescheidenen Geschwindigkeit ist in wenigen Minuten der Bahnhof Schee erreicht.
Dort wird die Ankunft des Dg 7477 nach Bochum-Dahlhausen abgewartet, der mit der Dahlhausener 50 Kab auf dem Nebengleis einläuft.
Die Wagengruppe aus Bossel wird flugs von der alten Preußin angekuppelt, dann geht’s los in die weite Welt: Erstmal nach Bochum-Dahlhausen und dann Richtung Oldenburg. Näheres im Kürze im zweiten Teil:
_______________________________________________
Wie alles begann ....
Nachdem wir den Beitrag über unseren Dampfkessel eingestellt hatten, gingen HaJo gleich zwei Dinge durch den Kopf:
Einerseits brauchte er ein Exemplar für seine Werft. Und andererseits könnte man doch daraus eine kleine Geschichte bauen.
Ein, zwei Telefonate später war das dann eine beschlossene Sache.
Heinos Fischzug-Projekt war der Auslöser: Ein Zug fährt auf mehreren Anlagen, das war und ist eine tolle Idee. Wir wollten allerdings viel bescheidener anfangen, mit nur einem Wagen und drei Anlagen. Und es wurden obendrein gar kein Fahrzeuge verschickt, sondern nur eine Druckkopie der Ladung.
Mangels Nachbildung der Kesselfabrik auf meiner Anlage bekam die Firma Isola kurzerhand einen neuen (natürlich ebenfalls gedruckten) Schriftzug aufs Dach, dann konnte es losgehen.....
Wir hoffen, der erste Reise war ein bisschen unterhaltsam......
Viele Grüße, bis die Tage
Manfred (der den Staffelstab jetzt an HaJo übergibt)
wie das Leben so spielt: Auf der Hamburger Schiffswerft Heinrich Buschmann lag seit ein paar Tagen der Dampfschlepper Paul J. zur Kesselrevision. Zur allgemeinen Überraschung waren die Schäden deutlich größer als angenommen, eine Reparatur weder wirtschaftlich noch sinnvoll.
„Schiet ook“, befand der Eigner im Gespräch mit dem Werftchef und den Kesselschmieden, „ik bruk dat Ding bis in dree Weeken torügg, anners bün ik pleet“ – er hatte schlicht und ergreifend weder Geld noch Zeit für eine „normale“ Beschaffung eines neuen Kessels.
Heinrich Buschmann versprach ihm, mal ein wenig herumzutelefonieren, um eine akzeptable Lösung zu finden.
Das war bei ihm als überaus seriösem Hamburger Unternehmer selbstverständlich, erst recht bei solchen Kunden, mit denen er jahrzehntelang zusammenarbeitete, in guten wie in schlechten Zeiten.
Ortswechsel: Zur gleichen Zeit, gute 350 km weiter südlich.
In der Kesselfabrik Siller & Jamart in Wuppertal-Hatzfeld sollte das verdiente Wochenende ganz entspannt mit einem kleinen Umtrunk zur Ehre der Jubilare des letzten Quartals eingeleitet werden, die örtliche Wicküler-Brauerei hatte gerade den dazu benötigten Gerstensaft angeliefert, der Chef steht noch für ein kleines Schwätzchen mit dem Fahrer zusammen.
Im Vorzimmer des Juniorchefs wurde gerade der letzte Brief diktiert.
Noch’n bisschen lockeres Geschäkere mit der Sekretärin, dann konnte das Wochenende kommen.
Doch natürlich – Murphy lässt grüßen – ertönt genau jetzt der energische Klingelton des W48-Telefons.
Heinrich Buschmann aus Hamburg war dran, schilderte sein Anliegen und wurde gleich zum Seniorchef durchgestellt.
Der witterte spontan ein gutes Geschäft und besprach sich erstmal auf dem Hof kurz mit seinen leitenden Mitarbeitern:
„Im Anheizschuppen steht doch der fertige Kessel, den wir eigentlich nach Brasilien versenden müssten.“, sagt der Senior, „Aber nachdem unser Kunde ja ganz offensichtlich zahlungsunfähig ist, könnten wir das Ding doch flott nach Hamburg liefern! Damit wäre der Monatsumsatz gerettet!“
Und in der Tat: Die Idee war brillant, für beide Parteien eine wunderbare Lösung. Der Brasilien-Kessel stand auf absehbare Zeit nur herum und nahm Platz weg.
Nach kurzer Verhandlung wurde man einig, die Kaufbestätigung aus Hamburg kam flott per Telex:
So weit, so gut.
Aber wie sollte man den Kessel per Bahn auf die Reise bringen? Der Gleisanschluss von Siller&Jamart lag an der elektrifizierten Kleinbahn der Wuppertaler Stadtwerke. Und die WSW hatten Ihre Ellok 609 zur Bedarfsausbesserung zur Lokfabrik nach Hattingen gebracht. Die Bundesbahn konnte wegen des hohen Rangierbedarfs keine V60 ausleihen und auf die Schnelle nicht mal einen Rungenwagen stellen.
Retter in der Not war der immer hilfsbereite Betriebsleiter der Kleinbahn Bossel-Blankenstein. Er besorgte auf dem kleinen Dienstweg einen Rungenwagen und organisierte obendrein eine kleine Ausfahrt der BBE-Diesellok D3 über fremde Gleise. So wurde der Kessel samt den in Holzkisten verladenen Anbauteilen mit der kleinen Deutz abgeholt und die wenigen Kilometer nach Bossel überführt:
Mit der planmäßigen Übergabe Üb 15794 wird der Kessel dann von Bossel nach Schee gefahren:
Der bekannte Eisenbahnfotograf Carl B. aus W. war natürlich bestens informiert und hat die Szene - extra für Heino, versteht sich! - nochmal in Schwarzweiß dokumentiert:
Eine Buchfahrplanseite gibt es dazu im Heft 7 der Bundesbahndirektion Wuppertal:
Trotz der bescheidenen Geschwindigkeit ist in wenigen Minuten der Bahnhof Schee erreicht.
Dort wird die Ankunft des Dg 7477 nach Bochum-Dahlhausen abgewartet, der mit der Dahlhausener 50 Kab auf dem Nebengleis einläuft.
Die Wagengruppe aus Bossel wird flugs von der alten Preußin angekuppelt, dann geht’s los in die weite Welt: Erstmal nach Bochum-Dahlhausen und dann Richtung Oldenburg. Näheres im Kürze im zweiten Teil:
_______________________________________________
Wie alles begann ....
Nachdem wir den Beitrag über unseren Dampfkessel eingestellt hatten, gingen HaJo gleich zwei Dinge durch den Kopf:
Einerseits brauchte er ein Exemplar für seine Werft. Und andererseits könnte man doch daraus eine kleine Geschichte bauen.
Ein, zwei Telefonate später war das dann eine beschlossene Sache.
Heinos Fischzug-Projekt war der Auslöser: Ein Zug fährt auf mehreren Anlagen, das war und ist eine tolle Idee. Wir wollten allerdings viel bescheidener anfangen, mit nur einem Wagen und drei Anlagen. Und es wurden obendrein gar kein Fahrzeuge verschickt, sondern nur eine Druckkopie der Ladung.
Mangels Nachbildung der Kesselfabrik auf meiner Anlage bekam die Firma Isola kurzerhand einen neuen (natürlich ebenfalls gedruckten) Schriftzug aufs Dach, dann konnte es losgehen.....
Wir hoffen, der erste Reise war ein bisschen unterhaltsam......
Viele Grüße, bis die Tage
Manfred (der den Staffelstab jetzt an HaJo übergibt)